„What’s behind a product?“ – Diese Frage, die der britische Sozialphilosoph John Ruskin bereits Ende des 19. Jahrhunderts stellte, gewinnt heute durch den wiederbelebten Umwelt-Diskurs neue Bedeutung. Ruskin versuchte, auf die Entfremdung von Produkten durch zunehmende Industrialisierungsprozesse und Arbeitsteilung aufmerksam zu machen und folgte damit Karl Marx' Theorie der Entfremdung.
Heute zerteilen Digitalisierung und globale Lieferketten die Wertschöpfungskette zusätzlich, machen sie undurchschaubar und bewirken so eine noch stärkere Entfremdung. Die Forderung nach Transparenz, die Ruskins’ Frage zugrunde liegt, wiederholt sich heute auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Um klimagerecht und sozial konsumieren zu können, stellt Produkttransparenz ein entscheidendes Handlungswerkzeug für zivilgesellschaftliche Akteur:innen dar.
Produkttransparenz meint die umfassende Kommunikation der Produkteigenschaften, vor allem das Sichtbarmachen der unsichtbaren Eigenschaften, wie z. B. der gesamten Wertschöpfungskette. Welche Menschen sind in den Herstellungs- und Konsumprozess involviert? Unter welchen Bedingungen führen sie diese Prozesse aus? Wann und wo finden Produktion und Konsum statt? Welche Ressourcen wie Zeit, Material, Technologie und Wissen werden benötigt? Wie wirkt das Produkt auf den menschlichen Körper? Welche gesellschaftlichen Normen werden durch die Ware erzeugt oder reproduziert? Wie sieht der Lebenszyklus des Produkts von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung aus?
Produkttransparenz macht das System hinter dem Produkt sichtbar und ermöglicht dadurch, die Ursprünge der Ware zu erkennen und den Wert des Produktes neu wahrzunehmen. Sie hilft, die Folgen des eigenen Handelns zu verstehen und schließlich eine bewusste Konsumentscheidung zu treffen.
In dem Projekt SPUREN FOLGEN untersuche ich das Phänomen Produkttransparenz als Tätigkeits- und Forschungsfeld für visuelle Gestaltung.
Wie transparent kann ein Produkt sein? Wie viele Informationen kann man über einen Gegenstand sammeln und welche visuelle Strategien eignen sich für deren Vermittlung? Welche Rolle spielt Gestaltung bei dem Bestreben nach mehr Transparenz? Bedeuten mehr Informationen auch höhere Transparenz?
Am Beispiel eines Schuhs widme ich mich diesen Fragen. Die resultierende Website beleuchtet einen Schuh aus unterschiedlichen Perspektiven und versucht so, eine möglichst umfangreiche digitale Repräsentation zu erzeugen.
Severin Geißler ist visueller Designer und Researcher. Er studierte an der HfG Karlsruhe und schloss 2021 in Kommunikationsdesign und Produktdesign ab. Neben seiner analogen und digitalen grafischen Arbeit ist er fasziniert von Schuhen und deren ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen.